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Podcast V. brachiocephalica Punktion für die ZVK-Anlage
Die Vena anonyma, die Vergessene, inmitten des Bermudadreiecks der zentralen Venen, der Region wo Venenkatheter verschwinden. Kurzum: es geht um die V. brachiocephalica.
Im Podcast spreche ich mit Dr. Oliver Vicent aus dem Universitätsklinikum Dresden über die ultraschallgestützte Punktion der V. brachiocephalica. Wie wird die Punktion durchgeführt? Warum ist die Vene anatomisch eine gute Wahl? Was steht in der Literatur und warum sollte ich mich unbedingt mit dieser Vene beschäftigen?
V. brachiocephalica: Besonderheiten, erforderliches Wissen zur Punktion
V. jugularis interna und V. subclavia müden in die V. brachiocephalica (V. anonyma) und bilden den Angulus venosus. Die V. brachiocephalica mündet in die V. cava superior. Im Angulus venosus münden rechts der Ductus lymphaticus dexter und linksseitig der Ductus thoracicus. Venen und Arterien liegen dicht beieinander. Rechts: der Truncus brachiocephalicus, aus dem die rechtsseitige A. subclavia hervorgeht und linksseitig, die A. subclavia, die dem Aortenbogen entspringt. Wichtig zu wissen ist, dass insbesondere die venösen und arteriellen Abgänge aus den großen Gefäßen sehr variabel verlaufen (Punktionweg).
Welche Gründe sprechen dafür?
Durch die V. brachiocephalica (Syn. V. anonyma) verlaufen alle zentrale Venenkatheter (ZVK), die über die V. jugularis, V. subclavia oder auch periphere Armvenen platziert werden.
Die zentrale Position der V. brachiocephalica dorsal des Sternums und teilweise der medialen Enden der Claviculae, erschweren die songrafische Darstellung (s. folgende Abbildung).
Warum sollte man also bei erschwerter sonografischer Darstellung die V. brachiocephalica punktieren? Die anatomischen Kennzeichen sprechen dafür:
- die V. brachiocephalica hat den kürzesten Weg zum rechten Vorhof (zur Vena cava superior)
- sie hat einen großen Druchmesser (10-20mm bei Erwachsen)
- ihr Verlauf ist gerade: Das ist günstig, wenn Stichrichtung und Dilatation im Venenverlauf erfolgen
- sie kollabiert nicht (bisher keine Beobachtung)
- Venenklappen sind nicht vorhanden
- die Thromboserate ist gering (keine Klappen, großer Durchmesser)
Ist die V. anonyma wirklich so unbekannt oder namenslos?
Nein. In den 60ern finden sich die ersten Publikationen zur Kanülierung der V. anonyma (V. brachiocephalica). Während in den letzten 10 Jahren vermehrt randomisierte prospektive Studien für Säuglinge und Kinder vorliegen, ist die Anzahl solcher Studien bei Erwachsenen dazu eher gering. Antomisch betrachtet nicht verständlich, umso weniger im sonografischen Zeitalter der Anästhesie. Am Ende des Beitrags findest du eine Literaturübersicht.
Warum der Wechsel von der Landmarken-technik auf die ultraschallgestützte Punktion sinnvoll?
Die Begründung ist einfach:
- bedingt durch die anatomische Variabilität gibt es KEINE allgemeingültige Punktionsrichtung, die für alle Menschen gilt
- das gilt für die Vv. brachiocephalicae genauso, wie für die Vv. jugulares oder subclaviae
Betrachte die folgende Abbildung. Sie führt Punktionsrichtungen zur Kanülierung der V. brachiocephalica auf.
Bestehen mehrere voneinander abweichende Punktionsbeschreibungen bei der Landmarkentechnik, ist das aus meiner Sicht ein Indikator dafür, dass es one size fits all nicht gibt.
Kommt dir die Vielzahl an Beschreibungen von landmarkenbasierten Zugangstechniken bekannt vor?
Mir schon. Es ist wie bei der V. subclavia-Punktion. Darüber habe ich einem Podcast gesprochen.
Bekanntes Vorgehen
Im Podcast zur Vena subclavia-Punktion geht es um die Erweiterung der äußeren mit den inneren Landmarken. Damit du die Sonoanatomie für eine maßgeschneiderten Punktion beherrschst.
V. brachiocephalica: Sonoanatomie und Punktionstechnik
Schau dir die Panoramaaufnahme der rechten Halsseite (Fossa supraclavicularis)an. Links im Bild ist medial, rechts lateral. Einigen von euch ist sicherlich die Postion der A. subclavia mit dem lateral liegenden Plexus brachialis bekannt.
Arterien die dem Truncus brachiocephalicus oder der A. subclavia entspringen können bei einer in-plane-Punktion verletzt werden. Venen sind in der Abbildung bis auf die V. brachiocephalica aufgrund des Sodenandruckes nicht zu sehen (aber vorhanden).
Folglich ist der Einstich möglichst nah der V. brachiocephalica durchzuführen. Ferner sollte der M. sternocleidomastoideus für einen höheren Komfort der Patient*innen nicht durchstochen werden.
Ausnahmeweise nicht das vollständige B-Bild
Um die V. brachiocephalica direkt punktieren zu können, lateral der Vene gelegene Strukturen nicht zu gefährden, positioniere die Sonde so, dass die V. brachiocephalica am Rand des Bildschirms der Punktionsseite dargestellt wird.
Die rechte V. brachiocephalica ist gegenüber der linken Vene steiler und kürzer bis sie sich zur V. cava superior vereinen. Hinsichtlich der Kanülenführung muss links flacher eingestochen werden, was die Punktion erleichtern kann.
Wie wird zur Punktion gelagert?
Es kann teilweise ohne entsprechende Lagerung schwierig sein, die Sonde weit genug in die obere Thoraxapertur hinein kippen zu können. Das ist aber erforderlich, um zweifelsfrei die Verläufe der Arterien UND Venen verfolgen zu können (s. unten). Die Lagerung muss solange optimiert werden bis der Venenwinkel (Angulus venosus) von V. jugularis interna und V. subclavia und die V. brachiocephalica eindeutig dargestellt werden können.
Die Punktion führen wir in in-plane-Technik durch. In-plane entspricht dem anatomischen Verlauf der Vene. Die out-of-plane Technik ist wegen der Sondenkippung räumlich kaum möglich.
Wo steht das Ultraschallgerät?
Gegenüber! Das Aligment, die Übereinkunft von Ultraschallebene und Kanüle, wird bedeutend vereinfacht, wenn die Blickrichtung auf das Ultraschallsystem und die Punktionsrichtung in einer Achse liegen.
Welche Ultraschallsonde kann ich verwenden?
Möchtest du den Gefäßreichtum, kleine Nerven, Faszien und bei Kompressionsmanövern auch kleine Venen und Arterien sehen, bleibt dir nur die Wahl einer Sonde um 10 MHz. Du benötigst in der Tiefe von 4 cm Tiefe ein gut „ausgeleuchtetes“ B-Bild, um mindestens die V.brachiocephalica vollständig darstellen zu können.
In der Sonographie geht es immer um den Kompromiss hoher Detailreichtum (hohe Frequenz) und erforderliche Eindringtiefe (niedrigere Frequenz).
Somit landest du bei einer „Standard“-Linearsonde zur geeigneten Ankopplung mit einer Sondenbreite von ca. 4cm, was dir Platz für die Punktion schafft (breitere Sondenflächen sind weniger hilfreich). Glücklicherweise ist ein solcher Sondentyp regelmäßig in anästhesiologischen Bereichen vorhanden.
Alternative Sonde zur V. brachiocephalica-Darstellung
Man kann durchaus beide Vv. brachiocephalicae gleichzeitig darstellen. Das gelingt rechts leichter als links. Mit einer Micro-Konvexsonde, einer Anlotung von supraclaviculär und einer Frequenz um 6 MHz, kannst du eine Übersicht der Gefäße und Organe erhalten (folgende Abbildung).
Die höhere Eindringtiefe und Übersicht ist gut für die Lagekontrolle des Führungsdrahtes, aber der Nachteil der niedrigeren Auflösung zur Punktion ist aus meiner Sicht so groß, dass ich damit nicht punktieren würde.
In-plane oder out-of-plane?
IN-PLANE. Ich bin extremer Befürworter, beide Techniken beherrschen zu müssen, mehr sogar in Richtung out-of-plane. Aber hier gibt es weder anatomisch noch praktisch eine Wahl.
Schleusenanlage in die rechte V. brachiocpehalica
Im Podcast wurde diskutiert: eine lange Schleuse könnte bei der Punktion der rechten V. brachiocephalica über die V. cava superior hinaus nach kaudal liegen. Nach Einschwemmen eines Herzstimulators oder Pulmonalarterienkatheters könnten die Zielorte Ventrikl bzw. Pulmonalarterien nicht erreicht werde.
Die im Podcast vermutete Länge von 15 cm ist NICHT korrekt. Ich habe 10 cm bei den Sets für Schrittmacher und PAK gemessen. Trotz der kurzen Strecke der steil verlaufenden rechten V. brachiocephalica ist aus meiner Sicht bei normalgroßen Erwachsenen das Risiko einer zu langen Schleuse nicht vorhanden.
Welche Gefahr besteht bei der in-plane-Punktion und gekippter Sonde?
Eine in-plane-Punktion bei gekippter Ultraschallsonde ist schwieriger gegenüber einer in der Raumachse senkrecht stehen Sonde.
Im Podcast über die V. subclavia-Punktion haben Dominik und ich das besprochen. Siehe dazu auch die Abbildung über die Aufstellung des Ultraschallsystems an, dort sind die unterschiedlichen Sondenpositionen zu erkennen.
Ein Abweichen nach kranial birgt das Risiko der arteriellen akzidentellen Gefäßpunktion (siehe dazu auch die folgende Abbildung).
IMMER Arterie von Vene differenzieren
Schau dir die folgende Abbildung an: bei einem 1-Sekundenblick aus der Ferne würde mann denken, ah, V. brachiocephalica. Sie ist es aber nicht, sonder der (arterielle) Truncus brachiocephalicus.
Die Ultraschallsonde ist nicht weit genug in den Thorax gekippt, der Angulus venosus ist nicht dargestellt.
Merke: die Arterie liegt weiter kranial. Identifziere durch wiederholte Kippmanöver Vene(n) und Arterie(n) um zweifelsfrei die V. brachiocephalica darzustellen.
Konsequentes Gefäß-Tracing
Nochmals: Wiederholte Kippmanöver, um die Gefäßverläufe und Zusammenflüsse zu detektieren, bringen dich zum Ziel der zweifelsfreien V. brachiocephalica-Darstellung.
Blickdiagnosen sind hier unzureichend. Bei der Patientin in der folgenden Abbildung liegt die V. jugularis interna auf Höhe des Krikoids zunächst lateral der A. carotis communis, überkreuzt diese dann im Verlauf nach kaudal, um dann untypisch medial mit der V. subcvlavia in die V. brachiocephalica zu münden.
Das große der Pleura anliegende Gefäß ist die A. subclavia.
Videos ZVK Lagekontrolle
Die endovaskuläre EKG-Ableitung zur Lagekontrolle, nach sonografischer Darstellung des Führungsdrahtes, der in die V. brachiocephalica verläuft, ist vermutlich die Technik der Wahl. Bei Unklarheiten gibt es die radiologische Kontrolle oder weitere Ultraschalltechniken.
Die beiden folgenden Videos zeigen subxiphoidale Schnitte mit jeweils einer Sektor– und Konvexensonde. Das kennst du ja schon aus dem Beitrag zur V. subclavia-Punktion.
Literatur und Referenzen
Bereits vor 10 Jahren wurde die V. brachiocephalica-Punktion als Lehrmaterial publiziert. Im Channel des Ultraschallgeräteherstellers SonoSite®.
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