Anatomie trifft klinische Anästhesie
Sonoanatomie und Interventionen am Körperspender
So lautet der Titel des Anwenderseminars auf dem Dreiländer-Ultraschall-Treffen 2023 in Mainz, von dem Radiomegahertz kurz berichten möchte. Die DEGUM schreibt in der Rundmail an Ihre Mitglieder*innen:
„Erstmalig wird auf einem Dreiländertreffen die „high-Precision & low-Volume“ Injektionstechnik an speziell konservierten Körperspendern live demonstriert.
Die Genauigkeit der Kanülenpositionierung von unter 1mm an peripheren Nerven sowie die Injektionstechnik mit Niedrigvolumina von 0,1-1ml im Vergleich mit Standardvolumina werden durch live-Injektion und nachfolgender Präparation gezeigt.
In dem Workshop werden die gegenwärtigen Grenzen und Möglichkeiten der hochauflösenden Sonografie sowie die Bedeutung der Injektatvolumina in Bezug auf Wirkung und Nebenwirkungen demonstriert und technische Details und Fehlermöglichkeiten diskutiert.“
Einzigartige Kombination von Lehre und Injektionstechnik
Das Anwenderseminar, initiiert durch Dr. med. Rainer J. Litz und Prof. Georg Feigl der Universität Witten / Herdecke, Lehrstuhl für Anatomie und Klinische Morphologie, bot eine vergleichende Ultraschall-Live-Demonstation an Lebenden und Körperspendern mit Interventionsmöglichkeit.
Wir, RadioMHz, fanden die 4-Schritt-Methode, Anatomie und klinische Umsetzung lernen zu können, einzigartig.
- Sonoanatomie am Lebenden und Diskussion von Zugangswegen;
- Sonoanatomie am Körperspender bei spezieller Konservierungstechnik;
- Injektionstechnik am Körperspender von Teilnehmer*innen durchgeführt;
- und abschließene anatomische Live-Präparation mit Ergebniskontrolle der Intervention.
Auch wenn Radiomegahertz keine Verbindung zum Körperspender oder dem Institut für Anatomie der Universität Mainz hat, möchten wir uns bedanken.
„Wir profitieren von der anatomischen Lehre und der Möglichkeit, Punktionstechniken an Körperspendern trainieren zu können, damit wir Wissen und Fertigkeiten auf unserse Patient*innen übertragen können. „
Daher Danke an den Körperspender und das Institut für Anatomie der Universität Mainz, das die spezielle Konservierung und den Transport ermöglicht hat.
Lernziel Teilnehmer*innen: Minimal-Volumen-Injektion
Wie präzise können Nerven am Körperspender mit extrem niedrigen Volumina „blockiert“ werden? Das Beispiel zeigt den N. cutaneus femoris lateralis des Körperspenders, die Kanülenspitze ist direkt am Nerven, es würden 0,2ml einer aushärtenden Latexmischung injiziert.
Die folgende Abbildung zeigt die Präparation durch Prof. Feigl des eingefärbten N. cutaneus femoris lateralis zwischen den Mm. sartorius et tensor fascia latae. Der Volltreffer wurde mit Klatschen der Teilnehmer*innen gewürdigt.
Vergleichende Anatomie: Lebende & Körperspender
Blutgefäße als sonografische Landmarken
Am Beispiel des N. saphenus-Verlaufes und seiner Nähe zur A. femoralis wurde deutlich, das bei der Punktion an Körperspendern wegen fehlenden Gefäßfüllungen und Pulsationen weitere sonografische Landmarken gelernt werden müssen.
Umdenken erforderlich
Die Konservierungstechnik nach Thiel ermöglicht eine realistische Haptik bei der Punktion. Die Arteria femoralis war zwar durch die typische Echotextur von Arterienwänden trotz fehlender Füllung zu erkennen, allerdings erfordert das etwas Training. Hingegen sind Muskelgrenzen, Faszien und natürlich Knochenreflexionen deutlich einfacher zu erkennen. Die Injektion am Körperspender im folgenden Bild verdeutlicht das.
Ist ein Volumen von 0,2ml genug?
Mehrere Teilnehmer*innen haben reproduzierbar Minimalvolumen-Injektion an verschiedenen Nerven durchgeführt. In der Präparation konnte man eindrucksvoll die Ausbreitung bei korrekter Injektion sehen (Fotos: Beispiel N. musculocutaneus).
Punktionstraining von seltener durchgeführten Blockaden
Nach sonografischer live-Demonstration, hier Beispiel Plexus cervicalis, konnte am Körperspender auch Blockaden trainiert werden, die vermutlich nicht so häufig durchgeführt werden.
2009: Eine wegweisende Publikation der Drs. U. Eichenberger und S. Kapral
Eichenberger U, Stockli S, Marhofer P et al. Minimal local anesthetic volume for peripheral nerve block: a new ultrasound-guided, nerve dimension-based method. Reg Anesth Pain Med 2009; 34:242-246
Die Autoren berechneten ein ED95 von 0,11ml/mm2 Nervendurchmesser für den N. ulnaris am Unterarm (mittlere Querschnittsfläche in der Untersuchung: 6,2mm2). Die sensorische Blockadedauer betrug zwischen 75 und 206 Minuten.
2023: neuere Systeme, feinere Technik
Die Technik schreitet voran: betrachtet man die Aufnahmen der o. g. Studie und vergleicht die Technologien von 2009 mit 2023, wird man einen Qualitätssprung zugunsten 2023 feststellen.
In der Schmerztherapie wird diese Technik zur Differentialblockade bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt. Der Transfer der Volumen- und Dosisreduktion in die Regionalanästhesie scheint hingegen nur zögerlich zu erfolgen.
L24MHz-Sonde - N. medianus
Schaue dir die Unterschiede zwischen einer 18 und einer 24Mhz-Sonde für oberflächliche Interventionen an. Hier am Beispiel einer Differentialblockade des N. medianus bei neuropathischen Schmerzen. Das anatomische Wissen und die Injektionstechnik wurde ergänzend zur praktischen Tätigkeit an Körperspendern erlangt.
Konservierung nach Thiel
Erhalt von Beweglichkeit und den natürlichen Farben in einer möglichst schadstoffarmen langanhaltenen Konservierung. So würde RMHz als Nicht-Anatomen die Konservierung beschreiben.
In der Literatur sind viele Einsatzgebiete beschrieben: von operativen Zugängen nahezu aller Fachdisziplinen, Techniken zur Beatmung, Elastographie und ultraschallgestützte Punktionen.
Details zur Konservierung sind sicherlich in den anatomischen Instituten zu erhalten, die folgende Referenzenliste ist nur eine kleine Auswahl und zum Einlesen gedacht.
Referenzen
Thiel W. [Supplement to the conservation of an entire cadaver according to W. Thiel]. Ann Anat 2002; 184:267-269
Thiel W. [The preservation of the whole corpse with natural color]. Ann Anat 1992; 174:185-195
Feigl G, Anderhuber F, Schwarz G et al. [Training methods for regional anaesthesia. Evaluation and comparison]. Anaesthesist 2007; 56:437-443
Benkhadra M, Faust A, Ladoire S et al. Comparison of fresh and Thiel’s embalmed cadavers according to the suitability for ultrasound-guided regional anesthesia of the cervical region. Surg Radiol Anat 2009; 31:531-535
Hassan S, Eisma R, Harry LE. Surgical training of anastomotic technique using Thiel cadavers. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2014; 67:e250-1
Joy J, Mcleod G, Lee N et al. Quantitative assessment of Thiel soft-embalmed human cadavers using shear wave elastography. Ann Anat 2015; 202:52-56
Healy SE, Rai BP, Biyani CS et al. Thiel embalming method for cadaver preservation: a review of new training model for urologic skills training. Urology 2015; 85:499-504
Hayashi S, Naito M, Kawata S et al. History and future of human cadaver preservation for surgical training: from formalin to saturated salt solution method. Anat Sci Int 2016; 91:1-7
Balta JY, Twomey M, Moloney F et al. A comparison of embalming fluids on the structures and properties of tissue in human cadavers. Anat Histol Embryol 2018;
László CJ, Szűcs Z, Nemeskéri Á et al. Human cadavers preserved using Thiel’s method for the teaching of fibreoptically-guided intubation of the trachea: a laboratory investigation. Anaesthesia 2018; 73:65-70